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Vom Super Nintendo zur Playstation

Im dritten Teil unserer Artikel-Reihe über die Konsolenwechsel berichtet Petter vom aufregenden Kauf der Playstation und warum die Konsole die beste ihrer Zeit war.

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Ich habe Tausende Stunden mit meinem Mega Drive verbracht. Auf dem Fernseher flimmerten jahrelang Streets of Rage, Street Fighter II: Turbo, Monaco GP, Out Run, Toe Jam & Earl und natürlich Sonic über den Bildschirm. Es war eine magische Konsole, die für mich noch immer zu den besten aller Zeiten gehört. Ich erinnere mich noch an die Begeisterung, mit der ich sie das erste Mal auspackte. Und ich erinnere mich noch an die Angst, die mir kalt den Rücken runterlief, als ich mir eine illegale Version von Streets of Rage über eine Anzeige in einem Magazin bestellte.

Um ganz einfach Import-Spiele und China-Fälschungen auf dem Mega Drive zu spielen, musste man nur mit einem Drahtschneider zwei kleine Stücke aus dem Plastik schneiden. Streets of Rage kostete mich damals knapp 15 Euro - dann sah das Spiel aber auch aus wie eine mutierte Version des Originaltitels, vollgeklebt mit orangefarbenen Etiketten mit chinesischen Schriftzeichen. Besser als früher. Damals hatten Spiele etwas Magisches an sich, an das Internet war noch lange nicht zu denken und Spielezeitschriften wurden eifrig gekauft, um den geheimen Cheats der Lieblingsspiele auf die Spur zu kommen.

Als ich meinen Mega Drive 1993 gegen einen Super Nintendo tauschte, war meine treue Konsole schon mächtig abgenutzt. Fredrik aus der Parallelklasse wollte zur selben Zeit seine Spielekonsole inklusive Super Mario World, Top Gear und The Legend of Zelda: A Link to the Past loswerden. Im Austausch für sein Gerät wollte er von mir natürlich den Mega Drive mit sechs Spielen. Nach der Schule trafen wir uns mit unseren Rädern, tauschten mit knirschenden Zähnen unsere geliebten Konsolen und trennten uns wieder.

Vom Super Nintendo zur Playstation
Das SNES-Abenteuer von Link: Es war mysteriös, riesig, eine Herausforderung, aufregend, schwer und bezaubernd schön.
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Schon vor diesem Tausch hatte ich mir den Super Nintendo mehrfach ausgeliehen und ausgiebig ausprobiert. Super Mario World hatte ich schon fast durchgespielt und eifrige Runden in Super Mario Kart gedreht. Trotzdem weiß ich noch, wie schnell mein Herz vor Aufregung klopfte, als ich das Fahrrad zuhause gegen die Wand lehnte und den Super Nintendo in meinem Zimmer auspackte. Die folgende Woche stand ganz unter dem Mario-Stern. Ich spielte Super Mario World durch, genoss die großartige Spielmechanik und fluchte ohne Unterlass über die kniffligen Level auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad.

Zelda hingegen lag wochenlang ungespielt in der Ecke. Eines Sonntagmorgens allerdings schaltete ich mit meiner selbst gebastelten Fernbedienung den Fernseher ein und betrachtete in einer kleinen Sequenz, wie ein grün angezogener Junge an einem majestätischen Schloss herumkletterte, während der Regen vom Himmel prasselte. Zelda für den NES hatte mich nie so richtig begeistert. Der erste Titel wirkte auf mich mit meinen acht Jahren hässlich und ziellos. Und Zelda 2 war nicht minder anstrengend.

Das SNES-Abenteuer fesselte mich aber vom ersten Moment an. 35 Stunden verbrachte ich wie gebannt vor dem Fernseher mit der 16-bit-Version von Link. Es war mysteriös, riesig, eine Herausforderung, aufregend, schwer und bezaubernd schön. Ich werde die Sonntagmorgende nie vergessen, an denen ich in der fantastische Welt versank und wie aufgeregt ich war, als Link endlich die geheime Kammer des Endgegners erreichte.

Vom Super Nintendo zur Playstation
Ich hatte mir den PC eines Nachbarn geliehen und spielte Doom II.
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Meine Schwester hasste Videospiele mehr denn je. Sie schlug gegen die Wand, damit der Klick-Lärm endlich aufhören möge. Im Gegensatz dazu hörte sie mit ihrem Freund jeden Trance-Dance-Song auf maximaler Lautstärke auf ihrer neuen Stereoanlage. Sie kaute Kaugummi auf absurd schnelle Weise und nannte mich öfter einen Penner als es notwendig gewesen wäre. Gelegentlich trat ich gegen ihr Fahrrad und manchmal, wenn sie nicht da war, warf ich meine Samantha-Fox-Single in ihre Anlage. Mich kümmerte eigentlich kaum, wie sie und ihre Freunde meine Spielgewohnheiten fanden.

Mir hat Nintendos 16-bit-Konsole nie so gut gefallen wie der Mega Drive. Obwohl ich viele der Spiele unglaublich geliebt habe. Segas Gerät war warm und magisch - die perfekte Spielekonsole eben. Dagegen wirkte das Super Nintendo klinisch kühl, hatte eine schlechtere Steuerung und bot weniger üppigere Farben. Obwohl ich Super Mario World liebte, konnte es Mario in dieser Zeit für mich nicht mit Sonic aufnehmen. Sonic fühlte sich frisch und neu an - und vor allem war er cool. Der Igel war schnell und das Design seiner Welten war unglaublich.

Die Monate verstrichen. Ich kaufte einem Klassenkameraden sein gebrauchtes UN Squadron ab und lieh mir Final Fight von meinem Nachbarn Robert. Mein Super Nintendo lief regelmäßig heiß, wenn ich mir mit meinem Freund Henke wilde Rennen in Super Mario Kart lieferte. Zu dieser Zeit interessierte ich mich für nichts anderes als Mädchen, Spiele und Süßigkeiten. Obwohl es sowohl Mega Drive wie auch Super Nintendo nun schon viele Jahre gab, wurden meine Freunde und ich es nie leid, vor unseren Konsolen zu sitzen. Klar, der Bedarf nach einer neuen Hardware war da - aber das war wir uns damals noch nicht bewusst.

Vom Super Nintendo zur Playstation
Segas Mega Drive war warm und magisch - die perfekte Spielekonsole eben. Dagegen wirkte das Super Nintendo klinisch kühl, hatte eine schlechtere Steuerung und bot weniger üppigere Farben.

Im Februar 1995 machte ich mich nach der Schule auf zur Videothek. Ich Trottel hatte mich für die falschen Schulkurse eingetragen und war ziemlich unglücklich. Ich war kurz davor, meinen Führerschein zu machen, fuhr aber noch regelmäßig mit dem Bus zum Laden, um Neuigkeiten aufzuschnappen. Zu diesem Zeitpunk schrieb ich bereits seit einem Jahr gelegentlich Kritiken für das lokale Spielemagazin und durfte mir kostenlos Titel ausleihen, wenn ich in meinem Artikel erwähnte, dass ich sie von der Videothek bekommen hatte.

Ich malte in diesen Wochen und Monaten viel, spielte Basketball und eifrig Videospiele. Ich hatte mir den PC eines Nachbarn geliehen und spielte Doom II. Auch Super Mario World spielte ich noch, obwohl ich schon mehrfach alle Sterne gesammelt hatte. All meine Gedanken drehten sich um Videogames, die mich nun schon so viele Jahre verzauberte. Und die Tatsache, dass ich schon bald im Auto sitzen würde.

Obwohl ich über Spiele schrieb, spielte ich noch immer richtig viel. Tief in mir dachte ich allerdings, dass das in den nächsten Jahren abnehmen würde. Es fühlte sich einfach an, als müsse das eben so sein. Dann trat ich aber an jenem Freitagnachmittag in den Laden und sah einen Werbeclip für eine neue Konsole über den Bildschirm flimmern. Sony war bereit, die erste firmeneigene Konsole zu veröffentlichen und einen Markt zu betreten, der bis dato von Sega und Nintendo dominiert worden war.

Der Videoclip zeigte die Grafik-Demo eines absurd realistischen Dinosauriers, eines schwimmenden Rochen und Bilder aus Tekken, Ridge Racer, Destruction Derby und Wipeout. Meine Reaktion hab ich noch gut im Gedächtnis - als wäre es erst gestern gewesen. Der kurze Ausschnitt haute mich völlig um. Natürlich gab es zu diesem Zeitpunkt schon jede Menge toll aussehende Spiele für den PC, doch was ich in diesem Moment sah, war grafisch wesentlich beeindruckender. Als die Demo mit einer Rundum-Sicht der Konsole endete, war ich vollends überzeugt. Mit versteinerter Miene beschloss ich, dass ich mir eine Playstation kaufen würde. Und zwar sofort am Erscheinungstag, dem 29. September 1995.

Die Monate vergingen wie im Flug. Ich brach die Schule ab und nahm eine durchaus sinnvolle Auszeit. Meine Schwester nahm ihre Anlage, ihre Trance-Dance-CDs und zog zuhause aus, während ich meinen Führerschein machte und so oft ich konnte den rostigen Volvo 140 GL meines Freundes Jimmy ausfuhr. Ich hatte über die Zeit versucht, Geld zu sparen, um mir im September die Playstation zu kaufen. Trotzdem reichte es vorne und hinten nicht. Nicht einmal annähernd, obwohl ich nebenbei in einer Bar gearbeitet und nur wenige Spiele gekauft hatte.

Jimmy, der ebenso verzweifelt nach der Konsole gierte wie ich, hatte die Lösung. An einem Abend am Zeichenbrett beschlossen wir, einfach zusammenzulegen. Nach einigen Batman-Zeichnungen und einem selbstbewussten Ja stand eine Vereinbarung über das geteilte Recht auf die zukünftige Playstation. Mit einem dumpfen Gefühl auf den Lippen radelte ich eilig nach hause. Eine Woche später trafen wir uns im Shop mit den Taschen voll gesparter Scheine. Die Konsole kostete etwa 350 Euro, die Speicherkarte beinahe 45 Euro und die ausgewählten Spiele noch einmal 55 Euro pro Stück. Wir teilten uns die Kosten für alles und saßen kurze Zeit aufgeregt im altem Volvo auf dem Weg nach Hause zu Jimmy. Dort schalteten wir die neu erworbene Hardware sofort an und saßen wie versteinert vor Ridge Racer.

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Neben den Release-Games lief meine PS1 vor allem wegen Lara Croft in Tomb Raider heiß.

Schon nach wenigen Sekunden war uns die Spielsteuerung in Fleisch und Blut übergangen und wir bretterten ungebremst um die Kurven wie echte Rennfahrer. Für mich ist Ridge Racer eines der besten Arcade-Rennspiele aller Zeiten. Es war der perfekte Einstiegstitel für die Playstation. Eine Woche später leisteten wir uns ein gebrauchtes Wipeout, das ein verärgerter Mann mit buschigem Bart im örtlichen Spieleladen zurückgeben wollte. "Die Steuerung ist großer Mist, als würde man auf Sirup fahren", wütete er. Und Wipeout war schwer. Ich fluchte fast ununterbrochen und wann immer es schlecht für mich lief, schlug ich mit der Faust in den wackligen Ikea-Tisch, der in etwa so stabil war wie ein von Kindern gebautes Baumhaus.

Das arme Stück Holz bekam mehr ab, als jedes andere Möbelstück, das ich je besessen habe. Meine aufbrausende Mutter verlor schnell die Geduld, wenn sie hörte, wie ich auf den Tisch donnerte. Ich versuchte, meine Taktik zu wechseln. Sich selbst in den Unterarm zu beißen oder mit dem Fuß auf den Boden zu stampfen, war leider bei weitem nicht so befriedigend. Ein kräftiger Schlag auf den Tisch konnte mich immerhin für einige Sekunden beruhigen, in denen ich meine Konzentration wieder sammelte. Mein Nachbar Mike konnte ebenfalls recht schlecht mit Niederlagen im Spiel umgehen. Seine Wut ging soweit, dass er irgendwann mit dem Fuß in die Mikrowelle trat.

Jimmy und ich hatten unsere Playstation nun seit einer Woche. Unsere Vereinbarung funktionierte besser, als ich es zunächst befürchtet hatte. Während der ersten sieben Tage stand die Konsole bei Jimmy. Wir spielten Battle Arena Toshinden und Tekken gegeneinander. In den darauf folgenden Wochen, als das Gerät seinen neuen Platz unter meinem Fernseher fand, spielte ich wie besessen Ridge Racer, Destruction Derby und Wipeout.

Vom Super Nintendo zur Playstation
Als die Demo mit einer Rundum-Sicht der Konsole endete, war ich vollends überzeugt. Mit versteinerter Miene beschloss ich, dass ich mir eine Playstation kaufen würde. Und zwar sofort am Erscheinungstag.

Wenn ich eine Liste meiner liebsten Konsolen aller Zeiten aufstellen müsste, wäre Sonys erste Konsole sicher sehr weit vorn. Die PS1 war gut durchdacht, stylisch und klein. Klar musste man nach dem Wechsel von Cartridges zu CD-basierten Spielen lange Ladezeiten in Kauf nehmen, aber das störte mich nicht. Ich liebte den Sound, der während der bekannten Start-Sequenz ertönte, die ergonomische Form und die Speichermöglichkeiten für fast alle Spiele.

Neben den Release-Games lief meine Konsole vor allem wegen Tomb Raider heiß. Ich kaufte Lara direkt zum Launch am 25. Oktober 1996 und war während der folgenden Wochen in meiner Begeisterung kaum zu bremsen. Die Grafik war die bis dato beste, die ich je gesehen hatte. Und obwohl die Steuerung von Lara Croft und das Gameplay an sich eher an ein Abenteuer in einer kleinen Hütte erinnerten, dessen Spannung vor allem in der Erwartung lag, was sich wohl hinter der nächsten Ecke verbergen würde, konnte ich nicht von Toby Gards meisterhaftem Abenteuer lassen.

Natürlich kann ich nicht über Sonys erfolgreichen Vormarsch sprechen, ohne an die wunderbaren Stunden mit Resident Evil zu denken. Dem Spiel, das für mich die ganze Konsolen-Generation prägte. Bevor ich es kaufte, bezeichnete es einer der Shop-Mitarbeiter als "eines der coolsten Spiele aller Zeiten" und bot mir eine importierte, japanische Original-Version samt RGB-Kabel für knapp 75 Euro an. Ich rief Jimmy an, um zu sehen, ob er sich daran beteiligen wollte. Klar wollte er.

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Die Hunde, die Zombies, die knarrenden Türen, die während des Ladebildschirms zu hören waren, die Kräuter und vorgerenderten Umgebungen - Resident Evil war unglaublich gut und grusliger als alles, was ich zuvor getestet hatte.

An diesem Abend fuhr ich mit dem Bus nach nach Hause, Biohazard (so der japanische Originalname) und ein RGB-Kabel im Gepäck nebst einer kopierten Anleitung, die beschrieb, wie ich meine Konsole austricksen konnte, um auf ihr ein japanisches Spiel zum Laufen zu kriegen. Zahnstocher rein und dann CD tauschen. Ich war ebenso neugierig wie skeptisch, als ich am nächsten Abend Ridge Racer startete - mit einem Zahnstocher in dem Loch, wo normalerweise der Konsolendeckel steckte. Mitten in der Boot-Sequenz nahm ich dann Ridge Racer aus dem Laufwerk und warf Biohazard hinein. Ich erinnere mich noch gut, wie schwer es mir fiel, eine Konsole so zu missbrauchen, für die ich erst vor kurzem knapp 440 Euro gezahlt hatte.

Doch der Typ aus dem Videospielladen hatte mir glaubhaft versichert, dass die Konsole auf gar keinen Fall Schaden nehmen würde. Wie sich herausstellte, war das ganz offensichtlich eine Lüge. Das spielte aber bei meinem ersten Ausflug in Capcoms Horror-Villa keine Rolle. Die Hunde, die Zombies, die knarrenden Türen, die während des Ladebildschirms zu hören waren, die Kräuter und vorgerenderten Umgebungen - Resident Evil war unglaublich gut und grusliger als alles, was ich zuvor getestet hatte. Zum ersten Mal gerieten Jimmy und ich uns in die Haare darüber, bei wem die Konsole wie lange stehen sollte. Ich wollte nichts so sehr, wie das Ende von Resident Evil sehen. Jimmy hatte das bereits hinter sich und spielte außerdem in der Rolle von Chris, während ich als schleichende Jill darauf hoffte, so wenigen Monstern wie möglich zu begegnen.

Schließlich besorgte ich mir doch wieder einen Sega Saturn und schlug mir die Nächte mit Sega Rally, Virtua Fighter 2 und Nights: Into Dreams um die Ohren. Die fünfte Konsolengeneration wurde für mich aber ganz klar durch Sonys Playstation bestimmt - ein unglaublich großartiges Gerät, das die Konkurrenz weiter hinter sich ließ. Heute gilt es als die viert bestverkaufte stationäre Spielekonsole aller Zeiten.

Hier geht es zu Teil 1:
Vom Colecovision zum NES
Hier geht es zu Teil 2:
Vom Master System zum Mega Drive
Hier geht es zu Teil 4:
Vom Sega Saturn zum Nintendo 64



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