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Fichtelmann: "Adventures erhalten nicht genügend Aufmerksamkeit"

Daedalic gehört dank schöner Adventures zu den bekanntesten deutschen Entwicklern. Wir haben mit Chef Carsten Fichtelmann über die Zukunft des Genres gesprochen.

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Für unseren großen Artikel Auf der Suche nach dem Abenteuer über das Adventure-Genre haben wir auch mit den großen deutschen Studios gesprochen. Unter anderem hat uns Carsten Fichtelmann, Chef von Daedalic Entertainment, Rede und Antwort gestanden. Im Interview hat er uns mehr über seine Vision verraten, wie die Hamburger das Genre sehen und mitgestalten wollen.

Fichtelmann: "Adventures erhalten nicht genügend Aufmerksamkeit"
Carsten Fichtelmann, Chef von Daedalic Entertainment

Warum hat es so lange gedauert, bis sich Entwickler in Deutschland dem Thema Adventures gewidmet haben?
Eigentlich werden in Deutschland ja schon seit ziemlich langer Zeit Adventures - und sehr gute Adventures - entwickelt. Man denke an House of Tales und The Moment of Silence oder Overclocked. Ankh von Deck 13. Geheimakte Tunguska.

Was sind die großen Vorbilder aus der Gamesbranche, wenn es um die Entwicklung von Spielen geht?
Alle können Vorbilder sein. Die größte Inspiration liefern diejenigen, die offensichtlich ihre Ideen in Spielen so umsetzen konnten, wie sie sie umsetzen wollten. Das können große AAA-Produktionen sein, oder kleine Indie-Teams, die zu dritt ihren Traum verwirklichen.

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Ist es schwierig, als relativ kleines Studio in einem Nischenmarkt zu bestehen? Wie kann man überleben?
Sehr schwierig. Alles will extrem wohl kalkuliert sein, es sind nur kleine Schritte nach vorn möglich. Die Entwicklung oder der Einsatz neuer Technologien ist zum Beispiel eine Herausforderung, da hier sehr genau geplant werden muss. Adventures werfen nicht zwingend die riesigen Gewinne ab, als dass man sich zum Beispiel mal eben Fachpersonal aus aller Welt anheuern könnte - das muss selbst erarbeitet werden. Dabei erfolgt aber auch eine Perfektionierung, wie auf allen Ebenen. Die Adventures sprechen für sich, und wir freuen uns jedes Mal wieder wahnsinnig, wenn eine Idee dann später tatsächlich ein Spiel geworden ist und im Regal steht.

Fichtelmann: "Adventures erhalten nicht genügend Aufmerksamkeit"
Zu den bekanntesten Gesichtern von Daedalic Entertainment gehört der arrogante Tollpatsch Rufus, Held aus der Deponia-Trilogie.

Läuft es in allen Ländern gleich?
International bietet der Markt noch wahnsinnig viel Potenzial. Insbesondere in Nordamerika und Großbritannien leiden Adventures eher darunter, dass sie nicht genügend Aufmerksamkeit erhalten. Es gäbe genügend Spieler, die gute Point & Click-Adventures mögen, und die auch regelmäßig neue Titel spielen möchten. Nur bemerken sie viele Veröffentlichungen nicht, da Adventures in den internationalen Games-Medien oft nur wenig zum Thema gemacht werden. Wenn, dann wird über Telltale und Double Fine gesprochen. Entwickler aus Europa kriegen eher selten Aufmerksamkeit und Berichterstattung. Oft werden Adventures nicht einmal getestet, beziehungsweise nur in wenigen Publikationen und nur unregelmäßig vorgestellt.

Was macht den deutschen Markt so besonders?
Der deutsche Markt ist Nischenthemen gegenüber offener - und vor allem gut gemachten Spielen. In allen Belangen: Die Spieler kaufen Spiele aus Nischengenres, finden sie gut, freuen sich drüber und bleiben dem, was sie mögen, auch treu. Der Handel nimmt sich ebenfalls den Spielen außerhalb der Top-20-Chartpositionen an - das ist in den meisten Märkten ganz anders. PC-Spiele findet man kaum noch im Laden, und wenn, dann nur wenige Titel. Als Spieler erhält man da fast den Eindruck, es gäbe nichts anderes mehr. Auch die hiesige Presse widmet sich Adventures stärker, als dies in anderen Märkten der Fall ist. Gute Spiele werden ausführlich vorgestellt und selbstverständlich getestet, damit die Leser einen Überblick über möglichst alle Neuheiten am Markt haben. Alles zusammen bewirkt, dass man in Deutschland gut in Adventure-Entwicklungen investieren kann - der Markt ist hier gesund.

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Welches ist das erfolgreichste Daedalic-Adventure und wie oft hat es sich in Deutschland bzw. weltweit verkauft?
Ohne konkrete Zahlen zu nennen: Deponia. Die Zahl der abgesetzten Einheiten liegt im unteren sechsstelligen Bereich und erreicht damit in etwa, was Adventures in ihrer Hochzeit in den 1990er Jahren verkauften.

Fichtelmann: "Adventures erhalten nicht genügend Aufmerksamkeit"
Das neue Adventure der Hamburger ist die Fortsetzung von The Whispered World - in 3D und mit innovativen Spielmechaniken.

Wo gibt es Wachstumschancen für Adventures? Wie können Adventures in zehn Jahren noch relevant sein?
Wie gesagt: Mit mehr internationaler Aufmerksamkeit erreichen Adventures sicherlich doch viel mehr Spieler, als dies heute möglich erscheint. Adventures als solche - Story-basierte Spiele mit Rätseln, die die Story tragen, und keinen oder wenigen Action-basierten Elementen, werden uns sicherlich auch in zehn Jahren noch begleiten. Ob man sie dann noch zwingend "Adventures" nennt, das ist eine andere Frage. Wir selbst achten darauf, dass unsere Adventures auch in zehn Jahren noch "frisch" aussehen - die 2D-Grafik macht's möglich.

Ist The Walking Dead von Telltale noch ein Adventure?
Es gibt Leute, die definieren das Genre ganz strikt. Da muss ein Adventure ganz viele bestimmte Punkte erfüllen. Wir sehen die Passion beim Entwickeln von Adventures aber im Verbinden von einer gut erzählten Geschichte mit unterhaltenden Spielelementen. Ein Adventure muss nicht immer strikt nach diesen Regeln gestalten sein, finden wir, auch wenn unsere derzeitigen Werke sich schon eher am klassischen Ansatz orientieren. Ein The Walking Dead ist daher ganz klar ein Adventure, ein sehr gutes. Und in einem The Last of Us finden sich ebenfalls viele Elemente, die wir an Adventures so sehr mögen. Selbst in einem GTA finden sich Dinge, die an Adventures erinnern.

Wie geht es weiter mit Daedalic - gerade auch nach dem durchaus beachtlichen Erfolg von Blackguards?
Einige Entwicklungen haben wir ja schon angekündigt: Silence: The Whispered World II, das nicht nur grafisch für uns neue Wege geht, sondern auch im Gameplay die ganz klassischen Adventure-Pfade verlässt, ohne jedoch für Fans klassischer Adventures uninteressant zu sein. Wir bringen Deponia auf die Playstation und arbeiten an weiteren Sachen. Wir entwickeln weiterhin Adventures, aber schlagen auch andere Richtungen ein. Im Fokus stehen Geschichten - die kann man ja auf verschiedene Weisen erzählen, wie Blackguards zeigt.



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