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Rückkehr eines 1993 vergessenen Amiga-Spiels

Vor zwanzig Jahren entwickelten vier Jugendliche aus einer kleinen Stadt in Schweden in ihrer Freizeit ein Amiga-Spiel. Wir haben mit Krister Karlsson über die Gründe für den Projektabbruch gesprochen und warum er den Titel jetzt auf Steam veröffentlicht.

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Krister Karlsson vom schwedischen Entwickler Modesty steht vor einer einzigartigen Herausforderung. Er will das erste Spiel vollenden, an dem er je gearbeitet hat und es auf den aktuellen Spielemarkt werfen. Es ist ein Amiga-Spiel, das er aus seinem Kinderzimmer heraus vor 20 Jahren entwickelte. Damals lief das Projekt noch unter dem Namen Shenandoah: Daughter of the Stars. Später wurde es in 1993: Space Machine umbenannt - das ist aber auch so ziemlich das Einzige, was sich seit den Anfängen verändert hat. Wir haben mit Krister Karlsson über den Entwicklungsprozess gesprochen, was damals falsch lief und warum er das Shoot-em'up heute noch veröffentlichen will.

Rückkehr eines 1993 vergessenen Amiga-Spiels
Krister Karlsson von schwedischen Entwickler Modesty heute.

Die Recherche vor diesem Interview gestaltete sich ungewöhnlich schwierig. Es gibt kaum verlässliche Quellen. Herausgefunden habe ich aber, dass ihr im Jahr 1993 zu viert an dem Spielprojekt gearbeitet habt, das später allerdings abgebrochen wurde...
Das stimmt. Ich war in meinem Abschlussjahr. Meine Freunde und ich waren ganz vernarrt in die Grafik des Amigas. Wir waren große Fans von Shoot-em'ups und liefen durch die ganze Stadt, um Spiele wie R-Type und Thunder Cross in den Arcades zu spielen. Das haben wir eine ganze Weile gemacht. Zu dieser Zeit haben wir uns auch mit der Software Deluxe Paint für Amiga beschäftigt. Das war damals quasi was heute Photoshop ist. Wir wollten unser eigenes Spiel machen.

Habt ihr so etwas in der Schule gelernt?
Nein. Wir hatten Naturwissenschaften und Technologie in der Schule. Mein Freund und ich haben beide mit Grafik gearbeitet und brauchten jemanden, der für uns programmiert. Wir hingen also eine Suchanzeige am Schwarzen Brett unserer Schule auf. Es gab damals kaum andere Optionen. Schließlich gab es keine Online-Foren oder das Internet. Wir fanden aber zwei Jungs, die ein Spiel machen wollten und so ging es los. Gearbeitet haben wir bei mir zu Hause in meinem kleinen Zimmer. Inmitten meiner ganzen Sachen saßen wir vier zwischen Tisch und Bett - und das so ziemlich anderthalb Jahre lang. In Anbetracht der Tatsache, dass wir keinerlei Plan hatten, sind wir ziemlich weit gekommen. Wir hatten keine Ahnung, wie man so ein Projekt strukturiert. Wir haben also einfach losgelegt und an dem gearbeitet, was uns inspiriert hat.

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Wolltet ihr das Spiel irgendwann veröffentlichen?
Ja. Wir hatten vor, Publisher und Spielefirmen auf den damaligen LAN-Partys zu treffen. Firmen kamen oft zu solchen Veranstaltungen, weil sie dort neue Talente suchten. Wir wollen eine Demo fertigstellen und die dann dort zu präsentieren. Und wir hatten Erfolg. Der englische Publisher Black Legend interessierte sich für uns. Einige Vertreter des Unternehmens waren im Süden Schwedens ansässig und wir haben uns mehrere Male mit ihnen getroffen. Am Ende vereinbarten wir, dass sie unser Spiel veröffentlichen würden, sobald es fertig gestellt war. Sie verhalfen uns dazu, in einigen der größten Spielemagazine der damaligen Zeit - wie Commodore User oder Amiga Format - mit Bildern vom Spiel erwähnt zu werden. Das hat sich toll angefühlt, weil es endlich in eine Richtung ging.

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Schicke Bilder aus dem klassischem Shoot-em'up, das über 20 Jahre nun noch fertig programmiert werden soll.

Wie habt ihr eure Arbeit finanziert?
Zu diesem Zeitpunkt war kein Geld im Spiel. Ich war jung und habe bei meinen Eltern gewohnt. Ich hatte also im Grunde keine Lebenshaltungskosten. Damals musste man auch seine Hardware nicht aufrüsten. Wir haben dieselben Computer über mehrere Jahre hinweg verwendet und das hat prima funktioniert."

Am Ende wurde das Spiel aber nie veröffentlicht. Was ist schief gelaufen?
Einer der Programmier hat sich in den anderen verliebt. Der wiederum zog dann nach Seattle und ist nie wieder zurückgekommen."

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Ein Fall von unerwiderter Liebe?
Genau. Wir waren noch Jungs und auf einmal war alles merkwürdig anders. In nur einer Woche starb das gesamte Projekt. Wir alle hatten jede Menge Zeit in die Arbeit gesteckt. Es war eine riesige Enttäuschung. Besonders, wenn man bedenkt, wie weit wir schon gekommen waren. Ich war nach diesem Projekt völlig ausgebrannt und habe mich einige Jahre aus der Industrie zurückgezogen.

Doch das Projekt feiert nun sein Comeback!
Richtig. Das Spiel blieb lange in einem Umzugskarton vergraben, bis ich es vor einer Weile beim Saubermachen des Kellers wiederfand. Ich nahm es heraus und startete es. Bisher fanden alle, die es gesehen haben, dass es immer noch ziemlich gut aussieht. Es hat natürlich den Charme eines Spiels, das auf dem Amiga entwickelt wurde. Zu etwa derselben Zeit kaufte ich mir Jamestown für Steam, einen anderen Pixel-Shooter. Und da begann ich darüber nachzudenken, was man aus dem machen könnte, was ich wiedergefunden hatte.

Und dann?
Nachdem mein Studio Modesty mit Hilfe von Gunnar Johansson und seinen Kontakten zur Industrie Anfang des Jahres das Mobile Game The Spookening veröffentlicht hatte, sprachen wir über eine mögliche Veröffentlichung des Spiels von 1993. Gunnar gefielt die Idee, ein Projekt zu beenden, das so weit zurück reichte, wie unseres.

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Krister Karlsson im Jahr 1993 am Amiga.

Wie viel vom originalen Spiel wurde wiederverwendet und werdet ihr den Titel mit dem alten Equipment fertig stellen?
Wir werden die gesamte Grafik wiederverwenden, ebenso wie das Konzept, das Level-Design, die Musik, die Sound-Effekte, die Animationen, Texte und die Hintergrundgeschichte. In anderen Worten: Wir werden so ziemlich alles benutzen. Wir müssen aber die Codes neu schreiben, weil die alten speziell für den Amiga geschrieben wurden. Die kann man einfach nicht mehr benutzen."

Gibt es schon einen Releasetermin?
Die Veröffentlichung wird im zweiten oder dritten Quartal 2014 sein. Einige der Dinge, die wir damals 1993 umsetzen wollten, sind heute nicht mehr möglich. Oder besser gesagt: Sie sind möglich, nehmen aber viel Zeit in Anspruch. Die meisten Ideen hatten wir, die Grafiker, als wir das Maximale aus dem Konzept herausholen wollten. Es war die Aufgabe der Programmierer, uns zurückzuhalten, wenn etwas nicht umgesetzt werden konnte. Obwohl wir es schon einmal programmiert haben, ist es schwer, ein exaktes Datum festzumachen.

Bist du als Einziger vom ursprünglichen Team übrig?
Ja. Ich habe regelmäßigen Kontakt zu dem anderen Grafiker, aber er hat heute nicht mehr so großes Interesse daran wie ich.

Die Einschränkungen müssen vor 20 Jahren sicher größer als heute gewesen sein.
Stimmt. Wir waren auf eine Palette von 32 Farben beschränkt, die sich auf dem Amiga umsetzen ließen. Und das war noch ziemlich viel. Die meisten damaligen Spiele nutzten nur 16 Farben, um die Bildfrequenz zu halten. Dazu waren die meisten Sprites gerade einmal 16 Pixel breit. Wir mussten also viele Beschränkungen beachten. Gleichzeitig hat es sehr viel Spaß gemacht, innerhalb dieses Rahmens zu arbeiten und großartige Ergebnisse zu erzielen."

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Die heiligen Commodore Amiga leben noch immer - inklusive der Joysticks.

Und an dieser Stelle mussten euch die Programmierer manchmal wieder auf den Teppich holen?
Genau. Sie hatten eine viel bessere Vorstellung von der Leistungsfähigkeit der Maschine. Wir sahen nur, was wir eben gesehen haben und sie kannten die technischen Einschränkungen nicht alle. Solche Diskussionen und das Lösen von Problemen können aber auch richtig viel Spaß machen. Es war wie bei The Spookening. Mit so etwas muss man wohl immer rechnen. Apropos Beschränkungen: Mein Vater, ein Ingenieur, entwickelte einen Adapter, der es vier Spielern ermöglichte, das Game gleichzeitig an einem Gerät zu spielen. Das war eine große Sache, die wir umsetzen wollten. Wir hatten vor, jedes Spiel mit einem Adapter auszuliefern."

Dein Vater sollte also als Drittanbieter eine Peripherie liefern?
Genau.

Klingt nach einer großen Sache.
Es zwar ziemlich cool. Wir konnten vorher nie mit vier Joysticks spielen."

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Konzeptzeichnungen und noch ein schicker Screenshot.

Jetzt hat du die Chance, deinen Titel von 20 Jahren Spieleentwicklung beeinflussen zu lassen. Möchtest du das Spiel genau so veröffentlichen, wie es ursprünglich sein sollte oder wirst du ein paar Verbesserungen vornehmen?
Ich möchte es im größtmöglichen Umfang so rausbringen, wie es damals war. Ich habe aber darüber nachgedacht, bei den Explosionen und den Lichteffekten etwas anderes zu probieren, um dem Spiel etwas mehr Flair und Feuerwerk zu bieten. Nichts ist in Stein gemeißelt und ich habe unterschiedliches Feedback von verschiedenen Leuten erhalten. Natürlich will ich, dass es das originale Spiel ist, aber gleichzeitig ist so viel in der Zwischenzeit passiert, dass ein bisschen mehr Feuerkraft toll wäre. Es soll aber das Spiel von 1993 sein - und genauso soll es auch aussehen. Da ist es vor allem wichtig, dass das Gefühl von Retro authentisch wirkt und nicht aufgesetzt. Viele Spieler von heute haben daran Interesse.



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